Subjektiv sicher?

Subjektive Sicherheit ist wichtig!

Eine Analyse von Lena Osswald

Als 2016 die Kampagne zum Radverkehrsgesetz in Berlin startete, formulierten die Aktivist*innen des Volksentscheid Fahrrad Berlin als eine wichtige Prämisse: „Jede*r soll sich mit dem Rad auf allen Straßen sicher fühlen.“ Baulich getrennte Radwege wurden eine zentrale Forderung der Initiative und haben nach langer Kampagne und Verhandlungen auch ihren Weg in das Berliner Mobilitätsgesetz gefunden. Das war ein großer Schritt, denn es kursierte lange die Überzeugung, dass nur wirklich sicher ist, wer „wie ein Auto“ im Straßenverkehr mitfahre. Der Begriff des „vehicular cycling” beschreibt genau diese Einstellung. 

Diskussionen über Radverkehrssicherheit werden meist im Hinblick auf Unfallstatistiken geführt. Dabei wird außer Acht gelassen, welche Rolle zu nahe Überholmanöver, Beinahe-Unfälle, Konflikte an Ampeln und weitere Risikofaktoren auf das Wohlbefinden und damit das Verhalten von Radfahrenden haben. Häufig heißt es in der Diskussion, eine Wegeführung sei objektiv „sicher“, da keine Unfälle zu verzeichnen seien. Dabei muss es nicht erst zu einem Unfall kommen, damit jemand einen Umweg fährt oder das Rad ganz stehen lässt. Schon die Angst vor einem Unfall kann Menschen davon abhalten, auf ein Fahrrad zu steigen. Auch kann Angst zu unsicherem Verhalten im Straßenverkehr führen. Ebenfalls möglich sind Konflikten mit Fußgänger*innen, wenn aus Unsicherheit ordnungswidrig mit dem Rad auf Gehwege ausgewichen wird. 

Doch wie sehen solche sicheren Wege für alle genau aus? Mit Perspektive von subjektiver Sicherheit wird gefragt: Wie fühle ich mich auf einer bestimmten Strecke? Habe ich Angst dort zu fahren oder bin ich entspannt? Gut lässt sich dieser Konflikt an den sogenannten „Radweichen“ erkennen. Von Planer*innen werden sie immer wieder als adäquate Radverkehrsführung an Kreuzungen geplant und gebaut. Aktivist*innen hingegen sprechen von „Angstweichen“. Denn diese Radwege drängen Radfahrer*innen mitten in den Autoverkehr hinein und führen zu vielen riskanten Situationen im oder vor dem Kreuzungsbereich. Hier wird klar: Subjektive Sicherheit sowie Angst und Unsicherheit müssen in der Planung aus Nutzer*innen-Sicht bedacht werden. 

Welche Details einen wirklich als sicher empfunden Radweg ausmachen, haben das Start-up-Unternehmen FixMyCity und der Tagesspiegel mit einer detaillierten Untersuchung  näher betrachtet, dem Berliner Straßencheck: Auf Grund ihres angegebenen Mobilitätsverhaltens wurden Teilnehmer*innen Bilder unterschiedlicher Straßensituationen gezeigt. Diese Bilder sollten sie entsprechend ihres persönlichen Sicherheitsempfindens bewerten. Dabei wurde sowohl die visuelle Perspektive von Radfahrer*innen, von Autofahrer*innen als auch von zu Fuß Gehenden erhoben. 

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen viele Forderungen von Radinitiativen bundesweit. Die Auswertungen lassen einige zentrale Schlüsse zu: 

1.    Baulich getrennte Radwege werden als am sichersten bewertet.

2.    Dooring-Zones (Autotüren-Öffnungsbereiche) sollte es auf Radwegen nicht geben.

3.    Radwege müssen breit genug sein, um sicher überholen zu können.

4.    Wirkliche Fahrradstraßen gibt es nur ohne Autoverkehr.

5.    Radwege auf dem Gehweg müssen eindeutig vom Fußverkehr getrennt sein. 

In den Detailauswertungen finden sich einige interessante Erkenntnisse. So scheinen Alter, Geschlecht und Wohnbezirk keine Auswirkung auf die Bewertungen zu haben. Auch ist es relativ egal, ob Poller oder Blumenkübel einen Radweg baulich vom Autoverkehr trennen – wichtig ist eine physische Trennung.

Das besondere Sicherheitsrisiko an Kreuzungen wurde in dieser Untersuchung leider nicht berücksichtigt. Da schwere und tödliche Kollisionen oft in Kreuzungssituationen geschehen, müssen diese in einem nächsten Schritt dringend untersucht werden. Gute Vorschläge für die Gestaltung von Kreuzungen gibt es vor allem aus den Niederlanden – allesamt mit baulich getrennten Bereichen für den Radverkehr.

Die Daten der Auswertung sind öffentlich zugänglich und können von Interessierten ausgewertet werden.

 

Quellen: