Plattenladenkollektiv Neukölln

Ein Besuch im Plattenladen

Ein Interview von Zoey Weddige

Ich treffe mich mit Hinnerk in den neuen Räumen des Plattenladens. Früher war der Plattenladen noch in der Sonnenallee zu Hause. Zum Frühjahr 2021 musste sich das Kollektiv neue Räumlichkeiten suchen. Jetzt richten sie sich auf dem Areal der alten Kindl-Brauerei neu ein.

Den Plattenladen gibt es seit 2011. Wie kam es damals zu der Idee?

Wir waren zunächst nur ein paar Fahrradfreunde, die Spaß am Fahrradschrauben und an Fahrradkultur hatten. Nachdem wir 2011 auf dem Cyclo Camp waren und dort Menschen aus der Bike Kitchen Wien kennengelernt hatten, wollten wir in Berlin auch einen unkommerziellen Treffpunkt aufmachen. Wir mieteten die Remise in der Sonnenallee an und fragten in unserem erweiterten Freundeskreis nach, wer Teil des PlattenladenLadenKollektives – PLK – werden will. Namensgebend waren „platte“ Reifen und eine Jukebox, die wir im Werkstattraum stehen hatten. Neben der Fahrradwerkstatt richteten wir auch eine kleine Metallwerkstatt und eine Holzwerkstatt ein. Dazu gab es zwei Atelierräume im oberen Stockwerk und einen Proberaum im Keller. Der Plattenladen konnte im Prinzip für uns alle der selbstverwaltete Freiraum sein, auf den wir Lust hatten. Lastenfahrräder oder Tallbikes wurden gebaut, Veranstaltungen organisiert und sich mit anderen Fahrrad-Initiativen vernetzt. Im Laufe der Zeit wuchs und formte sich der Plattenladen immer in Abhängigkeit von den Personen, die das PLK bildeten.

Jetzt seid Ihr umgezogen. Wie hat sich der Plattenladen verändert?

Als wir 2020 die Kündigung für die unsanierte, liebgewordene und kruschtelige Remise erhalten haben, war uns klar, dass wir auf dem Berliner Immobilienmarkt kein vergleichbares Gebäude mehr finden werden. Wir trennten uns daher vom Proberaum plus Atelier und konzentrierten uns bei der Suche auf potenzielle Werkstatträume. Trotzdem zahlen wir nun fast dreimal so viel Miete wie vorher. Das Kollektiv wuchs von circa 30 auf 50 „Plattis“. Mehr Leute helfen nicht nur die Kosten zu stemmen, sondern bringen auch frischen Wind rein. Das motiviert! Der neue Plattenladen ist deutlich organisierter und ordentlicher als früher. Wir haben ein paar Trennwände eingezogen und versuchen die Fläche möglichst optimal zu nutzen.

Blick in die Werkstatt

Hinnerk zeigt mir die verschiedenen Ecken der Werkstatt. Es gibt eine Nische zum Schweißen, die mit einer Schiebewand vom Hauptraum abgetrennt werden kann. Eine Ecke, die für Holzarbeiten gedacht ist, ist mit einem Vorhang abgeschirmt.

Ich habe auch im Tagesspiegel Newsletter vom Plattenladen gelesen, als Ihr noch auf der Suche nach neuen Räumen wart. Wie seid Ihr zu diesen Räumlichkeiten gekommen?

Wir erfuhren über einen Kontakt vom Ausschreibeverfahren für die Neckarstraße 19 und reichten eine Bewerbung für die Kellerräume ein. Die Menschen, die das Areal des ehemaligen Kindl-Geländes neu planen, fanden uns spannend und sagten zu. Wir waren mit die Ersten, die in dieses Backsteingebäude einziehen konnten. Super ist, dass dieses Gebäude einen barrierefreien Zugang bekommt. Den gab es im alten Plattenladen nicht, ebenfalls keine Heizung. Das Arbeiten im Winter ist jetzt deutlich gemütlicher geworden.

Wie können Leute Euch unterstützen? 

Da wir ein eingetragener Verein sind, ist es möglich, an uns zu spenden oder sogar Fördermitglied zu werden. Die Miete tragen wir über Kollektivbeiträge selbst, um möglichst unabhängig zu sein. Spenden ergeben das Budget, mit dem wir in die Räume investieren bzw. neue Werkzeuge kaufen können – sei es eine neue Kreissäge oder Fahrradspezialwerkzeug. Vieles davon verschleißt und muss regelmäßig erneuert werden. Wir nehmen natürlich auch gerne Sachspenden wie brauchbare Fahrrad-Ersatzteile entgegen. Außerdem haben wir etwas Merch – eigentlich eher als Gimmick für uns selbst gedacht, aber es kann auch gegen eine Spende erworben werden. Bei Fragen erreicht Ihr uns via plattenladen@systemli.org.

Blick in die Werkstatt des Plattenladenkollektivs

Haben nur Mitglieder Zugriff oder können Menschen aus der Nachbarschaft einfach so mal vorbeikommen?

Unsere wöchentliche, offene Selbsthilfewerkstatt funktioniert – wie z. B. auch die Bike Kitchen North East in Berlin-Weißensee – nach dem Konzept einer Bike Kitchen. Wir betreiben die Räume ehrenamtlich und bieten die Werkstattnutzung sowie Ersatzteile gegen Spende an. Du kannst mit Deinem Fahrrad vorbeikommen, Fragen stellen, Reparaturtipps bekommen oder einfach auch nur selbstständig schrauben. Es gilt ein paar Verhaltensregeln zur Werkstattnutzung zu beachten. Die sind bei uns gleich in der Info-Ecke im Eingangsbereich aufgeschrieben. Wenn sich wer zum Kochen findet, gibt es am Ende des Abends KüfA. Die Termine stehen auf unserer Webseite: www.plattenladenkollektiv.de.

Langfristig soll es auch Termine für Siebdruck geben, und sobald sich im Kollektiv genügend Motivierte für eine offene FINTA-Werkstatt (Female, Inter, Non-Binary, Trans, Agender) finden, wird auch diese reaktiviert. Früher hatten wir Termine im monatlichen Rhythmus.

Wie wird das Angebot angenommen?

Aufgrund der Pandemie und des Umzuges läuft unsere Bike Kitchen gerade erst wieder an – von daher kann ich die Frage für den neuen Ort leider noch nicht beantworten. In der Remise war es früher von Woche zu Woche anders. Manchmal war es komplett überfüllt. Manchmal war es ziemlich leer. Das hat sehr variiert. Ein paar Kinder aus der Nachbarschaft waren regelmäßig da und die waren zum Teil richtig motiviert, mit zu schrauben und zu lernen. Ich bin gespannt, wie es hier im Kiez wird!

Plattenladenkollektiv – Werkzeug

Wir werden die Räume auch wieder Bauprojekten zur Verfügung stellen. Das wurde im alten Plattenladen gerne genutzt. Ein Projektseminar der TU Berlin hat bei uns ein Lastenfahrrad gebaut. Außerdem wurde bei einem Workshop ein Carla Cargo Lastenradanhänger nachgebaut. Den konnten sich wiederum auch Menschen außerhalb des Kollektivs ausleihen, um Erfahrungen mit dem Fahrradtransport zu sammeln. Das war vom Gedanken vielleicht ähnlich wie bei der fLotte. Leider ist uns der Anhänger letzten Sommer aus dem Innenhof geklaut worden. Wenn wir Mittel dafür kriegen, bauen wir einen Ersatz.

Kommt auf jeden Fall gerne in unsere Fahrradselbsthilfewerkstatt und lernt uns kennen!

Gibt es noch etwas, was Du gerne zum Plattenladen sagen würdest?

Wir sind vermutlich ein relativ bunter Haufen von Menschen, die gerne tüfteln und autodidaktisch lernen. Im Plattenladen tun wir uns zusammen, tauschen Erfahrungen, geben erlerntes Wissen weiter und unterstützen uns gegenseitig. Das Kollektive und der Sharing-Gedanke sind mir persönlich sehr wichtig. Nicht jeder Mensch benötigt ein eigenes Lastenfahrrad. Dasselbe gilt für Werkzeuge, wie z. B. Akkuschrauber oder Fahrradspezialwerkzeuge.

Danke für die Tour im Plattenladen und für Deine Zeit!

Danke Dir!

 

Weiterführende Links

https://www.fahrrad-initiativen.de/pool/plattenladen-kollektiv
http://cyclocamp.org/
http://www.bikekitchen.net/index.php/Home
https://leute.tagesspiegel.de/neukoelln/macher/2020/10/21/144294/werkstattkollektiv-plattenladen-sucht-neue-raeume/
https://www.fahrrad-initiativen.de/beitraege/was-ist-eigentlich-die-bike-kitchen-north-east
https://de.wikipedia.org/wiki/Bikekitchen
https://www.carlacargo.de/de/
https://flotte-berlin.de/

Anmerkung: Das Plattenladenkollektiv unterstützt unsere Aktion #BikesForUkraine
https://changing-cities.org/changing-cities-organisiert-fahrradspenden-in-die-ukraine/